Höhlenflohkrebs (c) Landesverband für Höhlen- und Karstforschung Hessen e.V.

 

Quellen im Brachttaler Fußloch (2020 & 2021)

 

Main-Kinzig-Kreis. Im Auftrag der GNA kartierten Experten vom Landesverband für Höhlen- und Karstforschung Hessen e.V.

bereits 2020 die Quellaustritte im südlichen Brachttaler Landschaftsbereich Fußloch. Diese Untersuchungen wurden 2021 im nördlichen Teil des Gebietes fortgesetzt; mit wieder einmal erstaunlichen Ergebnissen.

Unterstützung erhielt das Projekt von der Stiftung Hessischer Naturschutz.

 

Ziel unserer Untersuchungen war die Erfassung von Quellaustritten, um Gefährdungen aufzuzeigen und Vorschläge für biotopverbessernde Maß-nahmen zu formulieren. Insgesamt wurden bis heute 93 Quellstandorte im Fußloch kartiert. Von vielen weiteren Quellaustritten gehen wir aus.

 

Ein Schwerpunkt lag in der Kennzeichnung der faunistischen Besiedelung, über die Aussagen zum Zustand eines Quellbiotops getroffen werden können. Die Untersuchungsergebnisse der letzten beiden Jahre haben uns die Schutzbedürftigkeit, aber auch die Schutzwürdigkeit des Gebietes sehr deutlich gemacht.

Lesesteinriegel prägen das Brachttaler Fußloch (c) GNA

 

Kleinod im Vogelsberg

Das „Fußloch“ ist ein etwa 20 Hektar großes Mosaik aus Wiesenflächen und Baumhecken, Waldstreifen und kleineren Waldflächen. Aufgrund des kleinflächigen Wechsels zwischen Grünland- und Gehölz-Biotopen ist das Areal ausgesprochen strukturreich, was durch bemerkenswert viele Quell-bereiche mit reichem Arteninventar, Feuchtwiesen und kleinen Wasser-läufen, Lesesteinriegeln und wechselnden Hangneigungen verstärkt wird.

 

Daher bemüht sich die GNA in enger Kooperation mit dem Regierungs-präsidium Darmstadt, der Gemeinde Brachttal, dem NABU Brachttal und örtlichen Unterstützern intensiv um die Wiederherstellung und Entwicklung dieses halboffenen Lebensraumes. Auf Grundlage des nationalen Rahmen-plans der „Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ (GAK) konnte die GNA in den letzten beiden Jahren umfangreiche Natur- und Artenschutzmaßnahmen durchführen.

 

Äußerst seltene Rhönquellschnecke gefunden

Als Grenzlebensraum zwischen Grundwasser und Oberflächengewässer haben Quellen eine große Bedeutung. Sie beherbergen sehr spezialisierte Tier- und Pflanzenarten, die an besondere Umweltbedingungen angepasst sind. Aus dem Grundwasser werden Muschel- und  Ruderfußkrebse in den Lebensraum eingespült. Fliegen- und Mückenlarven nutzen Quellen als Kinderstube. In strömungsarmen Bereichen finden sich Wasser- und Schwimmkäfer. Arten aus feuchten Landlebensräumen kommen in Quellbereiche, um zu jagen oder sich fortzupflanzen: Feuersalamander, verschiedene Insekten, Spinnentiere, Tausendfüßer, Asseln und Schnecken, darunter die äußerst seltene Rhön-Quellschnecke, die in vier Quellen zu finden war. Sehr klein und mit bloßem Auge kaum zu erkennen, ist Bythinella compressa endemisch und weltweit nur in der Rhön und im Vogelsberg zu finden. Gemäß der Roten Liste Deutschland wird sie als „stark gefährdet“ eingestuft. Denn wie alle Arten, die in Quellbiotopen existieren, reagiert sie sehr empfindlich auf menschliche Störungen. Im Hinblick auf die hohe Gefährdung des Lebensraums „Quelle“ ist dieser Art besonders Beachtung zu schenken. Quellsümpfe, Sickerquellen und ähnliche Quellaustritte, die im Winter nicht zufrieren, sind in den Mittel-gebirgen oft die einzigen Rückzugsorte für gefährdete Tierarten.

 

Arteninventar Deluxe

Das Team um Stefan Zaenker fand in den Quellen des Fußloch Meeres-milben der Familie Halacaridae, von denen einige ins Süßwasser zurückgekehrt sind und nicht größer als 0,5 Millimeter werden. Außerdem konnten Grundwasserflohkrebse der Gattung Niphargus festgestellt werden, die ebenfalls für einen weitgehend intakten Grundwasserkörper sprechen. Augen, die bei Flohkrebsen das Erscheinungsbild prägen, haben sich bei dieser Gattung im Laufe der Evolution zurückgebildet. Die Krebs-tierchen sind farblos und erscheinen durchsichtig bis weiß. Sie werden bis zu 30 Millimeter lang. Crenobia alpina, der 1,5 cm lange Alpenstrudel-wurm bewohnt im Fußloch gleich fünf Quellen und zeigt eine sehr gute Grundwasserqualität an. Beide Arten, die Rhönquellschnecke und der Alpenstrudelwurm, gelten als Glazial- oder Eiszeitrelikte.

 

Larven der Quellköcherfliege Crunoecia irrorata konnten in 14 der kartierten Quellen nachgewiesen werden. Charakteristisch für diese Art
ist der vierkantige Köcher, in dem sie ihre „Jugendzeit“ verbringt. Eine weitere Besonderheit stellt der Fund des Furchenwasserkäfers Helophorus dorsalis dar, der erst der zweite Nachweis in Hessen ist.

 

Gefährdung und Schutz

Auch wenn Quellen gesetzlich geschützt sind, werben wir für weiter-gehende Maßnahmen. Nach § 30 Bundesnaturschutzgesetz sind alle Handlungen, die zu einer Zerstörung oder einer sonstigen erheblichen Beeinträchtigung führen können, untersagt. Der Schutz der Quellen ist daher besonders wichtig, weil Quellräume als kleinflächige, isolierte und seltene Biotope gegenüber geringsten Störungen sehr empfindlich reagieren.

 

Im Hinblick auf die zunehmende Trinkwasserförderung gibt es folgendes zu bedenken: Auch wenn jetzt noch keine Beeinflussung der Quellen ersichtlich wird, könnte die beabsichtigte Grundwasserentnahme mit hohen Fördermengen langfristig zu einer Absenkung der Quellhorizonte und damit auch zu einem Trockenfallen der Quellbereiche und Feuchtwiesen führen. Hier ist Augenmaß gefragt und ständiges Monitoring angebracht.

Es muss ausgeschlossen sein, dass dieser Standort mit seinen Gräben, Bachläufen und wertvollen Wiesen mit seltenen Pflanzen und Orchideen erheblich beeinträchtigt und sogar langfristig geschädigt wird. Unabsehbare Folgen für das Ökosystem Fußloch und für die gesamte Biologische Vielfalt im Vogelsberg müssen im Vorfeld vermieden werden.

 

Bedenklich sind auch die großen Wasserstandschwankungen, die heute schon in der Bracht festzustellen sind. Nach der EU-Wasserrahmenrichtlinie (EU-WRRL) darf der ökologische Zustand eines Oberflächengewässers nicht verschlechtert werden. Dazu zählt selbstverständlich auch die gesicherte Abflussmenge. Wenn es in den nächsten Jahren wiederholt zu heißen und sehr trockenen Sommern kommt, wirkt sich dies zusätzlich nachteilig auf das Ökosystem und seinen Wasserhaushalt aus. Das macht uns Sorge.

 

Die Berichte 2020 und 2021 sind abrufbar unter

 

https://vogelsberg.quellen-grundwasser.de/kartierung/ergebnisse/

 

 

Presseecho

Sorge um die Rhön-Quellschnecke
FAZ vom 9.03.2022.jpg
JPG-Datei [621.3 KB]
Arteninventar überrascht Experten
Gelnhäuser Neue Zeitung vom 6. Juli 2020[...]
JPG-Datei [771.0 KB]

Reportage im hr

 

Wasser ist unsere Zukunft

 

Seit über 20 Jahren dokumentiert der passionierte Höhlen- und Quellen-forscher Stefan Zaenker gemeinsam mit seinen Kollegen vom Landes-verband Höhlen- und Karstforschung die Anzahl der Quellen in Hessen, Teilen von Bayern und Thüringen. Über 800 hessische Quellen haben die Forscher bereits gefunden, darunter auch mindestens 93 in unserem Projektgebiet Fußloch in Brachttal. 

 

Quellen sind wichtige Rückzugsorte für Amphibien, wie Feuersalamander und Grasfrosch, und deshalb besonders geschützte Biotope. Durch Dün-gung und Drainagen durch die Landwirtschaft, intensive Forstwirtschaft und die Entnahme von Grundwasser für das Rhein-Main-Gebiet sind sie zudem gefährdet.

 

Wie wird sich das Verschwinden der Quellen im Kellerwald, der Rhön und dem Vogelsberg auswirken? Kann etwas dagegen getan werden?

 

Das beleuchtet die etwa 30minütige Reportage des hr-fernsehens vom 23.06.2022. Das Video ist in der ARDMediathek verfügbar bis 23.06.2023.

Sofort anschauen: https://1.ard.de/Wasser_ist_unsere_Zukunft

 

 

Wir danken unseren Kooperationspartnern 

 

Gemeinde Brachttal

Regierungspräsidium Darmstadt

Stiftung Hessischer Naturschutz (SHN)

Landesverband für Höhlen- und Karstforschung Hessen e.V.

Fachbüro für regionale Biologie, Naturschutz und Landschaftspflege