Biodiversität erhalten

Die Gesellschaft für Naturschutz und Auenentwicklung arbeitete von 2014 bis 2018 im Rahmen eines von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) geförderten Projektes an Maßnahmen, um den Rückgang der Artenvielfalt (Biodiversität) in der Kinzigaue aufzuhalten.

 

Grünland ist für uns in der Landschaft eine Selbstverständlichkeit. Doch leider ist es heute besorgniserregend, dass der Anteil des Grünlandes an der gesamten landwirtschaftlich genutzten Fläche seit 2003 um ca. fünf Prozent gesunken ist. Gedüngte und ungedüngte Wiesen zur Futterge-winnung, Mähwiesen zur Biomasse- und Einstreugewinnung gehören zum Grünland. Diese Wiesen, besonders die extensiv genutzten sowie die ungedüngten Flächen sind ein wichtiger Pool für viele Tier- und Pflanzen-arten, die in den Mais- und Getreidemonokulturen nicht mehr zu finden sind. Ein Drittel aller heimischen Farn- und Blütenpflanzen haben ihr Hauptvorkommen in den Wiesen.

 

Die GNA erprobte durch das Anlegen von Versuchsflächen verschiedene Ansätze, um die Wiesen giftfrei und ohne Düngung von der Problempflanze Herbstzeitlose zu befreien. Dieses Projekt sollte es den Landwirten ermög-lichen, ihr Heu wieder uneingeschränkt vermarkten zu können, denn die Herbstzeitlose führt bei Tieren zu schwersten Vergiftungen, wenn das kontaminierte Heu verfüttert wird. Besonders bei Pferden kann das tödlich enden.

 

Die Flächen des Projektgebiets zwischen Erlensee und Gründau-Rothenber-gen gehören zu den wechselfeuchten Wiesen, die in ihrer schönsten Ausprägung mit dem violetten Knabenkraut, der Flockenblume und dem Wiesenstorchenschnabel voller bunter Blumen stehen. Dieses Grünland hat einen hohen Naturwert, der sich auch an der Artenfülle der Tiere und Pflanzen bemisst. Eine Wiese, auf der nur Löwenzahn wächst, ist meist sehr artenarm. Auch unsere Gärten mit den intensiv gepflegten Rasenflächen, reinlichen Beeten und gepflasterten Höfen bieten keinen Lebensraum für blühende Wiesenpflanzen, die als Futterkräuter für Insekten wie die Schmetterlinge und Wildbienen notwendig sind.

 

 

Als anschauliches Beispiel der engen und komplexen ökologischen Zusammenhänge ist hier der Große Wiesenknopf (Sanguisorba officinalis) oder Blutströpfchen aufgeführt. Dieses Rosengewächs ist eine typische Art der wechselfeuchten Nasswiesen und wieder häufiger in den Kinzigwiesen zu finden. Er ist der große Bruder des Kleinen Wiesenknopfs, der in Hessen besser als Pimpinelle bekannt ist. Pimpinelle ist eine Zutat für die berühmte Frankfurter Sauce. Zwar ist der Große Wiesenknopf nicht ganz so würzig und fein im Geschmack, aber als Wildkraut ist er durchaus in der Küche gut zu verwenden. Darüber hinaus wird er traditionell als Heilkraut verwendet, z. B. gegen Hämorriden.

 

Auf die ungeöffneten rötlichen Blütenköpfe des Großen Wiesenknopfes legen die kleinen Schmetterlinge der Gattung Moorbläulinge, insbesondere der Dunkle Wiesenknopf-Ameisenbläuling, ihre Eier ab. Aus den Eiern schlüpfen kleine Raupen, die sich anfangs von den Wiesenknopfblüten ernähren. Nach etwa drei Wochen haben sie eine rote Farbe angenommen und zeigen ein merkwürdiges Verhalten: Sie lassen sich auf den Boden fallen. Hier warten sie auf die Rotgelbe Knotenameise (Myrmica rubra). Diese Ameise nimmt nun die Schmetterlingsraupe mit in das Ameisennest, sie wird sozusagen „adoptiert“. Die Raupe sondert ein honigartiges Sekret ab, das die Ameisen attraktiv finden. Nun lebt die Raupe zehn Monate im Schutz des Ameisennestes und plündert deren Brut. Bis zu 600 Ameisenlarven kann eine von ihnen bis zur Verpuppung vertilgen. Im Juni des folgenden Jahres schlüpft aus der Puppe wieder ein Schmetterling, der nun so schnell wie möglich aus dem Nest fliehen muss, da das erwachsene Insekt die Ameisen nicht mehr täuschen kann und von ihnen angegriffen wird.

 

Der Schutz des Großen Wiesenknopfes ist die Voraussetzung für den Schutz des Dunklen Wiesenknopf-Ameisenbläulings (Phengaris nausithous). Diese gefährdete Schmetterlingsart ist nicht nur in der Roten Liste der BRD aufgeführt sondern auch als Schlüsselart in Anhang II und IV der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH) gelistet und wird daher auch auf europäischer Ebene streng geschützt.

 

Der Große Wiesenknopf benötigt feuchte Wiesen mit regelmäßiger Mahd, da er ein sehr schwacher Konkurrent um Licht ist. Schwere Traktoren, intensive Beweidung, Pestizideinsatz und Dünger verbieten sich nachvollziehbar von selbst. Die extensive und schonende Nutzung des Grünlandes fördert die Verbreitung des Wiesenknopfs und der Knotenameise.

 

Naturschutzgebiete in der Aue sind genauso wichtig wie eine nachhaltige und naturnahe Landwirtschaft, um eine große Artenvielfalt zu gewährleisten. Eine Landschaft mit vielfältig strukturierten und vernetzten Biotopen bietet einer großen Anzahl von Pflanzen und Tieren Heimat.